Du bist mein Helfer,
und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.
Psalm 63,8 (L)
Liebe Frauenhilfsschwestern,
wohl jede von uns hat schon einmal die Erfahrung gemacht, dass dieselbe Bibelstelle uns zu unterschiedlichen Zeiten auch ganz unterschiedlich berühren kann.
Beim ersten Lesen unseres Psalmverses haben mich die Worte „unter dem Schatten deiner Flügel“ besonders angesprochen. Ich musste sofort an junge Vögel denken, die von ihren Eltern „gehudert“ werden. Mit diesem vogelkundlichen Fachbegriff bezeichnet man das Schützen von Nestlingen vor Witterungseinflüssen wie Kälte, Regen und zu große Hitze durch die Brutvögel, indem sie ihren Nachwuchs unter den Flügeln bergend aufnehmen oder ihn im Bauchgefieder wärmen und beschützen. Die Redewendung „jemanden unter seine Fittiche nehmen“ entspricht sinngemäß dem Hudern. Es löst ein Gefühl von Geborgenheit, von Beschützt- und Aufgehobensein aus.
Das bringt auch David, der Beter dieses Psalms, zum Ausdruck, wenn er Gott, seinem Helfer, Flügel zuschreibt, unter deren Schatten er sich so geschützt fühlt, dass er frohlocken kann. Die Glaubensgewissheit, die in diesen Worten zum Ausdruck kommt, ist besonders bemerkenswert, wenn man bedenkt, in welcher Situation sich David befindet. Im ersten Vers des Psalms heißt es: „Ein Psalm Davids, als er in der Wüste Juda war“. Als David diesen Psalm schreibt, ist er auf der Flucht vor seinem eigenen Sohn Absalom. Ohne Wasser und Nahrung ist sein Leben in der Wüste bedroht und seine Zukunft völlig ungewiss. Trotzdem lesen wir nichts von drohenden Gefahren, Ängsten oder gar Verzweiflung.
Stattdessen besinnt sich David auf seine Beziehung zu Gott. Im Laufe seines Lebens mit Gott hat er dessen Macht und Herrlichkeit erlebt. Diese Glaubenserfahrungen sind die Basis für sein Vertrauen auf die Sinnhaftigkeit seines Lebens – egal wie es für ihn ausgeht. Er entscheidet sich ganz bewusst in dieser bedrohlichen Situation dafür, nicht über sein Schicksal zu grübeln, zu jammern oder zu klagen, sondern seine Sehnsucht nach Gott auszudrücken, Gott für seine Güte zu preisen und seiner Hilfe und Bewahrung zu gedenken. Nicht zuletzt kann er damit ein Beispiel für alle Menschen sein, die „Wüstenzeiten“ durchmachen.
Denn solche „Wüstenzeiten“ hat wohl jede schon einmal erlebt. Wie gut, wenn wir beizeiten Rituale eingeübt haben, um mit Gott in Kontakt zu treten. Der vertraute Ablauf des Sonntagsgottesdienstes wird ein Stück Heimat. Die Texte der wiederkehrenden Lesungen haben uns in jeder Lebenssituation etwas zu sagen und die Gemeinschaft der Glaubensgeschwister fühlt sich an wie Familie. An manchen Orten fühlen wir uns Gott besonders nahe, für jede Lebenssituation gibt es Lieder oder Gebete. Wenn wir keine eigenen Worte für ein Gebet finden, können wir auf den Schatz der Psalmen zurückgreifen, denn die menschliche Gefühlswelt hat sich seit deren Entstehung nicht grundsätzlich
geändert. Und plötzlich macht es auch Sinn, dass wir Psalm 23 im Konfirmandenunterricht auswendig lernen mussten ...
Wir können hoffen, dass auch für uns unsere Glaubenserfahrungen eine Hilfe in „Wüstenzeiten“ sein werden. Ob wir wohl wie David frohlocken können? Auf alle Fälle können wir davon erzählen, dass wir Gottes Schutz und Hilfe erfahren haben, und aufmerksam für Notsituationen anderer Menschen sein. Vielleicht folgen sie unserem Beispiel und vertrauen sich ebenfalls dem Schutz unseres Gottes an. Amen.
Gebet
Gütiger Gott,
wir sind dankbar, dass wir wie David unter dem Schutz deiner Flügel
leben dürfen. Aber obwohl wir in der Bibel immer wieder von deinem
Schutzversprechen lesen können, fällt es uns manchmal nicht leicht, auch
wirklich daran zu glauben.
Lass uns in unserem Alltag nach Gelegenheiten Ausschau halten, mit dir
in Kontakt zu kommen. Gib, dass wir gemeinsam mit unseren Glaubensgeschwistern Erfahrungen machen, die uns auch durch Wüstenzeiten
tragen.
Schenke uns Glaubensgewissheit, die auch andere Menschen ermutigt, sich unter deinen Schutz zu stellen. Darum bitten wir durch Jesus
Christus, unseren Bruder und Herrn. Amen.
Lieder
EG 171 Bewahre uns, Gott
EG 181.6 Laudate omnes gentes
EG 325,1,2,7+10 Sollt ich meinem Gott nicht singen
Dass du mich einstimmen lässt (z.B. in: Singt von Hoffnung, 80)
Segen
Gott, unser Beschützer, segne uns.
Er gebe uns die Kraft und Gabe zu erkennen,
wo Hilfe gebraucht wird.
Er gebe uns das Vertrauen, Hilfe anzunehmen,
wo sie uns angeboten wird.
Im Schatten seiner Flügel fühlen wir uns
geborgen und sicher. Amen.