Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt‘s in einen löchrigen Beutel. Haggai 1,6
„Wir pflügen und wir streuen“ – wer kennt dieses wunderbare Herbstlied nicht? Und Herbst wird es in diesem Monat. „Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn“, erinnert es in seinem Kehrvers und mahnt: „Drum dank ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt – und hofft auf ihn!“
Den meisten von uns wird in diesen Tagen dieses Lebensgefühl viel näher liegen als das, wovon der Monatsspruch spricht: Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt‘s in einen löchrigen Beutel.
Mit diesen Worten ärgerte sich etwa 520 v. Chr. der Prophet Haggai laut, weil das Volk Israel – jüngst aus seinem babylonischen Exil in die Heimat zurückgekehrt – sich allein um den Aufbau der eigenen Häuser kümmerte, anstatt seinem Herrn zu danken, indem sie ihm seinen Tempel neu erbauten. „Solange ihr den Herrn vergesst“, schimpft er, „werden all eure Mühen um euren Lebensalltag umsonst sein.“
Wenn ich das heute von einer Kanzel predigte, dann würden die meisten Menschen wohl zu Recht den Kopf schütteln. Denn eines haben wir im Laufe der letzte Jahrhunderte doch gelernt: So direkt funktioniert das Zusammenspiel menschlichen Tuns und göttlichen Lohns bzw. Strafens nicht. Eine Krankheit ist keine Strafe Gottes – weder der Krebs noch eine Pandemie, und umgekehrt führt das fortwährende Gebet nicht unmittelbar dazu, dass Gott tut, was ich will.
Und doch scheint mir der Gedanke wahr: Was nützen alle schönen Kleider und Wohnungen, was nützen bestes Essen und Trinken, was nützt alles Gut und Geld, wenn ich es nicht wertzuschätzen weiß – oder gar nie den Hals voll genug bekäme? Was nützte mir aller Erfolg, wenn ich nicht innezuhalten gelernt hätte, um dankbar zu sein? Und was nützte mir selbst die Dankbarkeit, wenn ich nicht wüsste, wohin ich meinen Dank richten sollte?
Mir scheint sich der wahre Wert des Wohlstands, der eigentliche Reichtum eines Lebens oft erst dann einzustellen, wo Menschen in einer Haltung guter Demut leben. Einer Demut, die Wertschätzung und Ehrfurcht vor dem, was mir oder anderen mir zugut gelungen ist, meint, die Achtung vor allem Guten des eigenen Lebens ausdrückt. Es geht dabei nicht um das Kleinreden eigenen Könnens oder Erfolgs, sondern um ein angemessenes Staunen darüber, wie wunderbar das Leben sein kann. Oder wie der Beter des 103. Psalms spricht: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ – Denn gerade so werden wir die Kraft seines Heiligen Geistes empfangen.
Gebet
Himmlischer Vater,
die Lilien auf dem Felde,
selbst der König Salomo war nicht herrlicher gekleidet als sie,
so heißt es in der Heiligen Schrift.
Vater, lass uns nicht vergessen,
worin Du uns Herrlichkeit schenkst.
Das Dach über dem Kopf,
der Kühlschrank voll,
Kleidung, die uns vor Sonne und Kälte schützt.
Ein Lächeln, das uns gilt.
Ein freundliches Wort.
Die Möglichkeit, gemeinsam zu beten.
Für all das, Vater, danken wir.
Und für so vieles mehr, das unser Leben beschenkt.
Hilf uns zu erkennen, worin wir reich sind –
hilf uns nicht zu verbittern über das,
worin uns das Leben schwer ist,
und hilf uns zu leben in Deinem Heiligen Geist
durch unseren Herrn Jesus Christus. Amen.
Lieder
EG 331 Großer Gott, wir loben dich
EG 508 Wir pflügen und wir streuen
EG 324 Ich singe dir mit Herz und Mund
Segen
Gott des Himmels und der Erden
segne und behüte dich.
Er schenke dir Freude und Kraft,
Liebe und Zuversicht,
Barmherzigkeit und Mut.
Er geleite dich auf allen deinen Wegen,
dass du lebst und Leben wirkst. Amen.