Christus ist Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Kolosser 1,15 (E)
Wie spannend! Christus ist Bild des unsichtbaren Gottes. Leider gab es zu Lebzeiten Jesu noch keine Fotoapparate, so dass wir auch kein Bild von ihm haben und weiterhin nicht wissen, wie der unsichtbare Gott aussieht. In alten Märchen heißt es manchmal: „vor alten Zeiten, als der liebe Gott noch selber auf Erden wandelte ...“. Tut er das heute wirklich nicht (mehr) – oder haben die Märchenerzähler nur eine glaubhafte Figur für ihre Botschaften benötigt? Und wenn er noch auf Erden wandelt, würden wir ihn überhaupt erkennen in unserer Hektik der heutigen Zeit? Vielleicht sind wir ja schon einmal an ihm vorbeigerast!
Als Kind hatte ich ein besonderes Erlebnis. Ich war in der fünften oder sechsten Klasse des Gymnasiums und musste als Fahrschülerin in die 10 km entfernte Kreisstadt. Je nachdem wie spät wir Schulende hatten, kam es vor, dass wir erst den Bus gegen 14 Uhr nehmen konnten. An besagtem Tag hatte ich schon mächtig Hunger und holte mir aus einer Bäckerei ein trockenes Brötchen. Viel Taschengeld gab es damals Anfang der siebziger Jahre nicht. An der Bushaltestelle brach ich das Brötchen auseinander und steckte die eine Hälfte in die Tüte zurück.
Kurze Zeit später setzte sich ein älterer Mann an das andere Ende der Bank. Er sah ein wenig so aus, wie ich mir den lieben Gott als Kind vorgestellt hatte – mit Bart und freundlichem Gesicht. Doch er war offenbar ein Landstreicher, heute würde man sagen Obdachloser, mit etwas schmuddeligen Kleidungsstücken und einem alten Rucksack, in dem sein ganzes Hab und Gut verstaut war. Mir fiel sofort ein, dass er bestimmt auch Hunger haben müsste, und dachte an mein halbes Brötchen in der Bäckertüte. Also fasste ich mir ein Herz und bot es ihm an. Fast habe ich mich dafür geschämt, dass es nur ein halbes trockenes Brötchen war, was ich ihm anbieten konnte. Aber er nahm es dankbar an. Als ich später im Bus saß, lächelte er mir freundlich zu und winkte noch einmal. Die anderen Fahrgäste schauten etwas irritiert, aber mich überkam ein ganz warmes, glückliches Gefühl. War das eine Begegnung mit Gott?
Im Kolossertext ist wohl mit dem Abbild Gottes in Christus nicht das Aussehen Gottes gemeint. Es geht vielmehr um ein Bild des richtigen Verhaltens. So zeigt uns Gott in Christus seine den Menschen zugewandte Güte und Barmherzigkeit. Sich der Menschen annehmen, die in Not sind, Nahrung und Obdach benötigen, ist ein Teil dieses Bildes. Gott hat uns das größtmögliche Geschenk gemacht, indem er seinen Sohn in den Tod sandte zur Vergebung all unserer Sünden. Und wir sollen die Liebe, die wir so großzügig von Gott erfahren, weitergeben an unseren Nächsten. Dann treten wir die Nachfolge Christi an, der als erster den Tod überwunden hat. Und dann werden auch wir den Tod überwinden.
Gebet
Gütiger Gott,
in der Hektik unserer Zeit sehen wir oft nicht,
wo du dich uns offenbarst
oder wie wir den uns gestellten Aufgaben der Nächstenliebe
gerecht werden können.
In Christus hast du uns den Weg gezeigt.
So gib uns offene Augen und ein offenes Herz
für unsere Mitmenschen,
damit wir die uns gestellten Aufgaben erfüllen
und Christus folgen können zum ewigen Leben.
Dir sei Dank und Ehre in Ewigkeit. Amen.
Lieder
EG 295 Wohl denen, die da wandeln
EG 395 Vertraut den neuen Wegen
Segen
Es segne uns der barmherzige Gott,
der uns seinen Sohn geschenkt hat
zur Vergebung unserer Sünden.
Es segne uns Christus,
der den rechten Weg vorangegangen ist
und in seiner unermesslichen Liebe für uns gestorben ist.
Es segne uns der Heilige Geist,
der uns immer nahe ist.
So segne uns der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.