Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen! Sprüche 31,8 (E)
Was für ein schöner Bibelvers!
Genau das habe ich gedacht, als mein Mann und ich den Taufspruch unseres Sohnes ausgesucht haben. Beim Taufvorgespräch gab unser zuständiger Pfarrer allerdings zu bedenken, dass wir unserem Sohn durch diesen Bibelvers eine hohe Bürde und Last auferlegen würden. Bürde und Last? Nein! Wünschen sich nicht alle Eltern, dass ihre Kinder sich für andere einsetzen, sozial handeln, nicht zu Egoisten werden?
Das Buch der Sprüche Salomos steht im Alten Testament und gehört zu den Schriften der Dichtung und Weisheitsliteratur. Diese Spruchsammlung behandelt viele Themen wie allgemeine Lebensweisheit, gesellschaftliche und familiäre Verbundenheit und soziale Gerechtigkeit.
Im Kapitel 31 wird von den Mahnungen an den arabischen König Lemuel von Massa erzählt, die ihn seine Mutter gelehrt hat. Es geht um angemessenes königliches Verhalten, die Warnung vor dem Missbrauch der königlichen Privilegien und Zügellosigkeit. Lemuel hat diese Worte mit auf seinen Lebensweg bekommen. Er hat die Verantwortung für seine Mitmenschen, er soll der Fürsprecher der „Stummen“ und „Schwachen“ sein; also für alle, die benachteiligt sind und selbst nicht die Kraft und den Mut haben, etwas zu fordern. Fürsprecher wünschen wir uns, Sprecher, die sich den Ungerechtigkeiten, den Nöten und den Belangen dieser Welt annehmen, keine skrupellosen Machtmenschen!
Aber gibt es da nicht etliche Beispiele, bei denen die Fürsprecher und Helfer sogar angegriffen wurden? Menschen, die anderen Recht verschaffen wollten, nicht weggesehen, sondern eingegriffen haben, wurden selbst zum Opfer, wie 2019 beim Amoklauf in Halle. Oder wie zur Zeit die Mitarbeiter im öffentlichen Raum beleidigt, bespuckt und tätlich angegriffen werden, die ihre Mitmenschen auf die Benutzung einer Mund-Nasen-Bedeckung zum Schutz aller aufmerksam machen.
Aber die Augen zu verschließen, die „Stummen und Schwachen“ alleine zu lassen, ist keine Alternative, zumal wir vielleicht auch einmal einen Fürsprecher in unserem Leben brauchen. Was kann ich persönlich also tun?
Es gibt viele, die einen Fürsprecher und unsere Hilfe benötigen. Ich denke an Kinder in Not, die von häuslicher Gewalt, Missbrauch oder Armut betroffen sind. Oder an behinderte, kranke, alte oder pflegebedürftige Menschen; an die Waisenkinder und an die vielen heimatlosen Flüchtlinge. Oder an die zahlreichen sozial schwachen Menschen, die jeden Tag ums Überleben kämpfen. Oder an die Trauernden, die einen geliebten Menschen verloren haben. Aber ich denke auch an unsere Umwelt, die Tiere und Pflanzen, deren Lebensraum zerstört wird. Das sind nur einige Beispiele. Öffnen wir unsere Augen und Ohren!
Lasst uns Fürsprecher sein. Auch kleine Hilfen, wie zuhören oder nur „da zu sein“ ist wichtig. Das ist christliche Nächstenliebe! Und je mehr Fürsprecher es gibt, wächst die Wahrscheinlichkeit gehört zu werden, damit sich etwas ändert zum Wohle aller. Es kommt also auf jeden Einzelnen an! „Öffne den Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen!“
Und mein Sohn? Er hat schon früh in der Grundschule als Klassensprecher angefangen, die Belange seiner Mitschüler zu vertreten, auch wenn er dafür Unannehmlichkeiten seitens der Lehrerschaft bekommen hat. Dieser Bibelvers ist der richtige Taufspruch für ihn. Dieser Vers stellt keine Bürde oder Last dar, sondern er bereichert uns!
Was für ein schönes Gefühl, füreinander da zu sein!
Lieder
EG 433 Gib Frieden, Herr, gib Frieden
EG 432 Gott gab uns Atem
Gebet
Barmherziger Gott,
öffne unsere Augen und Ohren,
lass uns die Ängste und Nöte unserer Mitmenschen erkennen.
Gib uns Mut, die Initiative zu ergreifen,
für mehr Zuversicht und Gerechtigkeit.
Gib uns Kraft, damit wir uns für den Schutz der Erde einsetzen.
Gib uns die Fähigkeit, für die Menschen
und alle Lebewesen dieser Welt einzutreten. Amen.
Segen
Der Herr segne und behüte dich,
Er segne dein Tun und Handeln im Dienst für den „Stummen“,
für das Recht aller „Schwachen“
und beschütze dich auf diesem Weg.
Es segne dich der dreieinige Gott,
Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.