Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten.
Er ist auferstanden, er ist nicht hier.
Markus 16,6 (L)
„Entsetzt euch nicht!“ Der Sprecher dieser Worte meint es ernst. Er will die Frauen, die sich früh – noch im Morgengrauen – auf den Weg gemacht hatten, nicht vertreiben. Er will ihnen keine Angst machen. Das denkt er nicht nur; das sagt er auch – eindringlich und mit Ausrufezeichen!
Es muss auf die Frauen so unglaublich laut gewirkt haben. Eben noch haben sie leise miteinander getuschelt. Wer möge ihnen wohl den Stein vor dem Grab wegrollen?! Jetzt durchbricht dieser so laute Satz die dröhnende Stille, die sich seit Karfreitag auf ihre Welt gelegt hat.
Der Sprecher, ein nicht näher benannter „Jüngling“, durchbricht nicht nur die Stille, sondern er bringt die nachfolgenden Ereignisse erst ins Rollen. Er wälzt sprachlich den schweren Stein – die Stille – vor dem Grab weg.
Wie ist das mit der Stille? Sie kann so viele Seiten haben. Hier ist sie laut, legt sich bleischwer über alles. Und doch kann Stille gleichzeitig heilsam sein. Leise säuselnd daherkommen. Mich wohlig umschließen. Sie kann mir einen Raum zum Nachdenken bieten. Zum Stellen von Fragen und Suchen nach Antworten. In der Stille kann ich nicht nur mich (wieder-)finden, sondern auch Gott begegnen.
In dieser Doppeldeutigkeit befanden sich die Frauen vielleicht auch. Ja, die Stille ist schwer, aber sie hat ihnen auch den nötigen Raum gelassen, die Ereignisse von Karfreitag zumindest ansatzweise zu verarbeiten.
Das spürt auch der Jüngling. Er merkt gleich, dass sie jemanden – Jesus – suchen. Er versucht ihre Suche aufzulösen mit den Worten „Er ist nicht
hier.“ Doch sehen bzw. finden werden sie Jesus nicht. Er spricht weiter. Darüber, was sie tun sollen. Die Frauen bleiben still.
Auch wenn der Jüngling mit seinen Worten den Stein der Auferstehungs- erzählung ins Rollen gebracht hat, sie damit fast zu überrollen scheint – die Frauen bleiben zunächst in ihrem Raum der Stille.
Sie haben sich diesen Zwischenraum bewahrt.
Manchmal scheint unser Leben stillzustehen. Alles Alltägliche, alles Bekannte ist nicht mehr. Dann brauchen wir vielleicht so jemanden, wie den Jüngling. Einen Menschen, der uns wachrüttelt. Der uns wieder aufrichtet. Der uns Gewissheit schenkt, dass nach jedem Karfreitag ein Ostern kommt.
Gebet
Gott,
die Welt tobt um mich herum.
Vor lautem Tosen höre ich dich nicht.
Dein Flüstern bleibt mir verborgen.
Schenke mir Momente der Stille.
Lass mich innehalten.
Lass mich darauf horchen, was die Stille mir sagen kann.
Wenn sie flüstert: „Fürchte dich nicht!“ Amen.
Segen
Gott sei bei dir in allem Trubel.
Gott sei um dich in aller Stille.
Gott schenke dir ein gutes Wort für deine Ohren
und schenke dir ein offenes Ohr für deine Worte. Amen.
Lieder
EG 103 Gelobt sei Gott im höchsten Thron
EG 595 Fürchte dich nicht
„Schweige und höre“ (Kanon aus Taizé, in: freiTöne 2 ; Kirchentage 2017 und 2021)