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01.07.2023 Kategorie: Andacht, Landesverband

Andacht Juli 2023

Jesus Christus spricht: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen,
damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet.
Matthäus 5,44-45 (E)

Es war Sommer 2022, seit über 4 Monaten herrschte Krieg in der Ukraine nach dem mit nichts zu rechtfertigenden Angriff von Russland unter Putin. Und dann dieser Text! Ein Text, den ich sehr schätze, da ich seit Jahrzehnten auf Seiten der Friedensbewegung stehe. Aber in dieser Situation? Sorge, Verzagtheit, Angst und damit verbunden Empörung und Wut bestimmen die Gedanken und die Gemütslage. Wir sollen unseren Nächsten lieben (3. Mose 19,18 und Matthäus. 5,43), aber wie soll ich diesen Feind lieben?

Es ist unvorstellbar und entbehrt jeden Rechts, dass Russland, ein Land in Europa – ein Bruderland sogar – überfallen und katastrophal so viele Städte zerstört hat. So viele Menschen mussten schon sterben und Millionen Ukrainer sind geflüchtet:
Frauen, Kinder, alte Menschen! Dazu die weltweiten Folgen u.a. durch den Stopp der Getreidelieferungen und die Sorge um die Energie-Versorgung und die Angst um die Ausweitung des Krieges.

Und da soll ich meine Feinde lieben? Ich versuche, Gründe zu suchen und mich in die Lage des anderen zu versetzen: Russland ist kleiner und unbedeutender geworden seit dem Ende der Sowjetunion, fühlt sich bedrängt von der Nato, die gegen vertragliche Abmachungen dicht an seine Grenzen gerückt ist. Die Ukraine drängt nach Westeuropa, zeigt seit den Demonstrationen 2014 auf dem Majdan in Kiew, dass sie sich von russischen Einflüssen lösen will. Russland fühlt sich anscheinend in seiner Autonomie bedroht, aber wieweit sind es auch Großmachtträume?

Doch nichts rechtfertigt seinen fürchterlichen Überfall auf die Ukraine! Wenn ich an die Menschen dort denke, zerreißt es mir das Herz. Und das lässt mich trotz alledem auch für Russland beten, wenn ich für die Ukraine und die Menschen dort bete. Es geht aber nicht nur um mich, Jesus sagt: Liebt eure Feinde, also alle Menschen sind aufgerufen. Sind alle Staaten und Kirchen bereit, sich zusammenzutun und sich intensiv um Verhandlungen zu bemühen? Ja, das sind Gedanken im Sommer 2022 – wie mag es nun im Jahr 2023 aussehen? Müssen wir immer noch intensiv für ein Kriegsende beten und verhandeln?

Und wie sieht es im persönlichen Bereich aus? Da denken wir nicht immer gleich an Feinde, vermeiden dieses Wort, wenn es uns auch manche Menschen schwer machen, wir unter ihnen oder durch sie leiden. Da ist es schon nicht leicht, sich nicht verletzt zurückzuziehen, sondern Verständnis für Kritik zu haben und nachsichtig zu sein. Vielleicht könnte man ein Gespräch über das Thema suchen und durch den Austausch im anderen Licht gesehen werden.

Heute sind in zahlreichen Familien Trennungen keine Seltenheit mehr. Wie viel Hass und Feindschaft ist dabei oft im Spiel! Dabei ist eine intakte Familie der Inbegriff der Sehnsucht und das Lebensziel der meisten Menschen, auch für die Jugendlichen heute noch.

Und wie sieht es in unseren Partnerschaften, in unserem familiären Umfeld aus? Auch hier gibt es immer wieder Verletzungen, die schlecht auszuhalten sind. Wie gehen wir damit um, wenn wir manchmal voller Wut sind oder uns völlig ungerecht
behandelt fühlen? Wichtig ist, es auszusprechen, darüber zu reden – vielleicht nicht sofort, sondern in Ruhe. Manchmal können auch Stress, Belastungen, Schmerzen die Ursache sein.

In den Erklärungen von Martin Luther zum 8. Gebot heißt es: „… sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren“. Ja, gute Gedanken und Hilfen – wenn uns das immer so leichtfiele! Aber denken wir an die Verheißung in unserem Bibeltext. Ist sie nicht einen Einsatz wert?

Jesus Christus spricht: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet.

Gebet
Herr, Gott des Friedens, erhöre unser Flehen!
Viele Male und über viele Jahre hin haben wir versucht,
unsere Konflikte mit unseren Kräften
und auch mit unseren Waffen zu lösen. (...)
Doch unsere Anstrengungen waren vergeblich.
Nun, Herr, hilf du uns!
Schenke du uns den Frieden, lehre du uns den Frieden,
führe du uns zum Frieden!
Öffne unsere Augen und unsere Herzen
und gib uns den Mut zu sagen:
„Nie wieder Krieg!“ „Mit dem Krieg ist alles zerstört!“
Flöße uns den Mut ein, konkrete Taten zu vollbringen,
um den Frieden aufzubauen.
Herr, Gott Abrahams und der Propheten,
du Gott der Liebe, der du uns erschaffen hast
und uns rufst, als Brüder zu leben,
schenke uns die Kraft, jeden Tag Baumeister des Friedens zu sein;
schenke uns die Fähigkeit, alle Mitmenschen,
denen wir auf unserem Weg begegnen,
mit wohlwollenden Augen zu sehen. (...)
Herr, entwaffne die Zunge und die Hände,
erneuere Herzen und Geist, damit das Wort,
das uns einander begegnen lässt, immer „Bruder“ laute
und unser Leben seinen Ausdruck finde in
„Shalom, Frieden, Salam“! Amen.
Papst Franziskus (2014, Gebet um Frieden)

Lieder
EG 620 Freunde, dass der Mandelzweig
EG 617 Unfriede herrscht auf der Erde
EG 607 Vertrauen wagen dürfen wir getrost

Segen
Die Antwort des Gerechten auf die Leiden,
die ihm die Welt zufügt, heißt: Segnen.
Das war die Antwort Gottes auf die Welt,
die Christus ans Kreuz schlug: Segen.
Gott vergilt nicht Gleiches mit Gleichem,
und so soll es auch der Gerechte nicht tun.
Nicht verurteilen, nicht schelten, sondern segnen.
Die Welt hätte keine Hoffnung, wenn dies nicht wäre.
Vom Segen Gottes und der Gerechten
lebt die Welt und hat sie eine Zukunft.
Segnen, das heißt die Hand auf etwas legen und sagen:
Du gehörst trotz allem zu Gott.
So tun wir es mit der Welt, die uns solches Leiden zufügt.
Wir verlassen sie nicht, wir verwerfen,
verachten, verdammen sie nicht,
sondern wir rufen sie zu Gott, wir geben ihr Hoffnung,
wir legen die Hand auf sie und sagen:
Gottes Segen komme über dich, er erneuere dich,
sei gesegnet, du von Gott geschaffene Welt,
die du deinem Schöpfer und Erlöser gehörst.
Dietrich Bonhoeffer

Beitrag von Margrit Seidel