Suche

Nachricht

01.02.2022 Kategorie: Andacht, Landesverband

Andacht Februar 2022

Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. Epheser 4

Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.
Epheser 4,26 (L)

Kennen Sie noch die Werbung mit dem HB-Männchen? Die Karikatur eines schnell aufbrausenden Hitzkopfs, der seinen Zorn, seine Wut nicht unter Kontrolle hat und
wie eine tickende Zeitbombe stets in die Luft zu gehen droht. Oder vielleicht kommt Ihnen auch eher der Friederich aus dem Struwwelpeter in den Sinn? „Der Friederich,
der Friederich, der war ein arger Wüterich!“

Klar, beides sind Karikaturen, die bewusst überzeichnen. Und doch wird gerade in der Überzeichnung etwas besonders deutlich: Wer sich dem Zorn hingibt, wer von der
Wut übermannt wird, gerät in Gefahr, die Kontrolle über sich und sein eigenes Handeln zu verlieren. Zorn ist kein guter Ratgeber. So manche Freundschaft würde heute
noch bestehen, so manche Ehe wäre nicht zerbrochen, ja selbst manch gewaltsame Auseinandersetzung zwischen einzelnen Gruppen oder ganzen Völkern hätte verhindert werden können, wäre man in der Lage gewesen, den Zorn im Zaum zu halten.

Zorn sei eine „kurze Geisteskrankheit“, die der Vernünftige vermeiden müsse: „Machen wir uns frei von diesem Übel! Reinigen wir unseren Geist! Rotten wir
aus, was selbst aus noch so zarten Trieben überall da wieder emporschießt, wo es Wurzeln treiben kann!", so Seneca. Biblisches Wort und römische Philosophie sind
sich hier scheinbar einig wie sonst selten: Es gilt, den Zorn zu überwinden, ihn gar auszurotten. – Doch stimmt das? Beinhalten Wut und Zorn nicht vielleicht auch eine
sinnvolle Komponente? Ist es wirklich besser, das, was uns auf die Palme bringt, mit stoischer Gleichmut zu ertragen, Frustrationen, Konfrontationen und allen sonstigen
emotionalen Ballast einfach nur zu schlucken?

Man muss kein Psychiater oder Psychologe sein, um zu erkennen, dass so eine Unterdrückung und Verinnerlichung von Aggressionsstressoren auf die Dauer nicht hilfreich
sein kann. Die unterdrückte Wut agiert sich dann in unserem Körper aus und ihre zerstörerische Kraft wirkt auf unsere Psyche und Physis ein und kann zu schwerwiegenden Erkrankungen führen. Also, allen Frust einfach immer nur schlucken, ist keine Lösung! – Was aber dann? Hier hilft ein zweiter Blick auf den biblischen Monatsspruch aus dem Epheserbrief: „Zürnt ihr, so sündigt nicht.“ Schaut man genau hin, wird erkennbar, dass der Zorn hier gar nicht negiert wird. Ganz im Gegenteil: Der Zorn wird geradezu als Möglichkeit menschlichen Ausdrucks vorausgesetzt. In bestimmten Situationen ist die Wut, der Zorn einfach eine Realität. Dieses wird im Epheserbrief ganz ohne Wertung zugestanden. Aber wenn du zornig bist, dann sündige nicht!

Sünde. – Noch so ein schwieriges Wort! Was aber bezeichnet dieses Wort im biblischen Sprachgebrauch? Die gängige Deutung im Sinne körperlicher Begierden greift hier eindeutig zu kurz. Denn Zorn und Begierde wollen nicht so recht zusammenpassen. Sprachwissenschaftlich ist der Begriff der „Sünde“ mit dem deutschen Wort „Sund“ verwandt, also einer Meeresenge zwischen zwei Landmassen. Es ist eine Barriere, ein Abgrund, ein Graben der hüben und drüben trennt. Genau das meint auch der theologische Begriff der Sünde. Sünde ist das, was uns von Gott trennt. Wir sündigen dort, wo wir uns bewusst oder unbewusst gegen Gott wenden, wo wir die Brücken einreißen zu der Quelle des Lebens, uns der göttlichen Liebe verschließen.

Der Epheserbrief fordert uns auf, selbst im Zorn die Verbindung mit Gott zu halten. Wir dürfen, ja wir sollen uns sogar mit unserer Wut, unserem Zorn an Gott wenden.
Die Psalmen des Alten Testamentes sind voll der an Gott gerichteten Klagen und Vorwürfe. Wir dürfen die Brocken unseres Lebens, unseren Ärger und Frust vor Gott
hinwerfen, ihm unseren Zorn zumuten. Gott hält das aus! – Und so fordert uns der Epheserbrief dazu auf, uns in unserem Zorn nicht von Gott abzuwenden. In den Situationen des Lebens, wo es um das Eingemachte geht, wo einem die Galle überläuft, gerade da, wo ich unmittelbar emotional betroffen und berührt bin, ist Gott mir nichtv ferne. Gott ist da keine abstrakte himmlische Größe, sondern er begegnet mir vielleicht gerade in meinem Gegenüber, der oder die mich bis ins Innerste herausfordert, überfordert und mich erzürnt.

„Zürnt ihr, so sündigt nicht“, kann also zweierlei bedeuten:

1. Gott hält meine Wut aus. Ich darf meinen Zorn an Gott richten.

2. Auch in dem oder der Anderen, die mich erzürnt, mag mir Gott begegnen.

Trotz meines Zorns sollte ich mich von dieser Person möglichst nicht vollständig
abwenden, nicht die Brücken abreißen, sondern nach dem reinigenden Gewitter,
der emotionalen Entladung versuchen, neue Brücken zu bauen; ganz im Sinne
des letzten Teiles dieses biblischen Wortes: „Lasst die Sonne nicht über eurem
Zorn untergehen.“ – So sei es. Amen.

Gebet
Wir bitten Dich, Gott,
bleib Du uns zugewandt,
selbst wo wir mit unserer Wut nicht mehr weiter wissen.
Höre unsere Verzweiflung,
unsere stillen und lauten Schreie des Zorns.
Hilf uns in den Herausforderungen und Überforderungen des Lebens,
dass wir das Vertrauen zu Dir, zu einander
und zu uns selbst nicht verlieren.
Und lehre uns, unseren Zorn zu überwinden,
eingerissene Brücken neu zu bauen
und Dein Antlitz in dem oder der Anderen zu erkennen,
so dass die Sonne nicht über unserem Zorn untergeht
und Vergebung und Neubeginn möglich werden. Amen.

Lieder
EG 133 Zieh ein zu deinen Toren (insbes. Strophe 7)
EG 342 Es ist das Heil uns kommen her
EG 355 Mir ist Erbarmung widerfahren

Segen
Möge der Friede Gottes sich auf dich senken, in dir einkehren und dir
Frieden geben mit dir selbst, deinem Nächsten und mit Gott jetzt und
alle Zeit. Amen.

Beitrag von Lars Dedekind