Lasst uns aufeinander achthaben und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken. Hebräer 10,24 (L)
Lasst uns einmal ein Gedankenspiel vollziehen: Was wäre geschehen, wenn wir als Kinder niemanden gehabt hätten, der uns füttert, badet, umsorgt, liebevoll in den Arm nimmt – kurzum auf uns achthat? Was wäre, wenn wir heute ganz alleine dastünden und niemanden hätten, der uns tröstet, wenn wir traurig sind, uns ermutigt, wenn wir uns nicht trauen und sich mit uns über unsere Erfolge freut? Unvorstellbar, dass wir dann die Personen wären, die wir jetzt sind. Unvorstellbar, dass wir dann unser Leben gleichermaßen genießen könnten.
Der Mensch braucht die Unterstützung anderer und jemanden, der auf ihn achtgibt – nicht zuletzt, weil wir alle soziale Wesen sind und uns von Natur aus nach anderen sehnen. Es ist offensichtlich, dass ein Kind nicht auskommen, ja vermutlich nicht einmal überleben kann, ohne die Fürsorge anderer, ohne Personen, die es behüten und auf es achtgeben. Als Erwachsene glauben wir oft, dass wir alleine klarkommen und alt genug sind, um uns selbst zu versorgen. Wir denken, dass wir niemanden brauchen, um zurechtzukommen. Denn wir sind doch selbstständig und erwachsen und somit alt genug.
Doch wenn wir einmal genauer darüber nachdenken und uns solche Fragen wie eben im Gedankenspiel stellen, erkennen wir, dass dies ein Trugschluss ist. Unser ganzes Leben lang brauchen wir uns gegenseitig. Erst durch soziales Miteinander wird unser Leben richtig lebenswert. Dabei ist es gleich, ob wir andere zum Überleben brauchen wie etwa im Kindesalter, im Krankheitsfall oder auch im Alter, wenn wir alltägliche Aufgaben nicht mehr alleine bewältigen können. Letztendlich brauchen wir einander nicht nur zum Überleben, sondern vor allem und in jedem Alter zum Leben.
Dies hat auch schon der Mann erkannt, der vor vielen Jahren einen Brief an die Hebräer geschrieben hat. „Lasst uns aufeinander achthaben“, appelliert er. Denn erst dadurch können wir „uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken“. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Wie lässt sich dieses „aufeinander Achthaben“ bewerkstelligen? Und wie können daraus Liebe und gute Taten entspringen?
Heutzutage hat es manchmal den Anschein, dass jeder in seiner eigenen kleinen Welt lebt. Wir fokussieren uns gerne auf uns selbst, beschäftigen uns vorrangig mit unseren eigenen Problemen und nehmen die Sorgen anderer vielleicht nicht einmal wahr. Wie können wir die Kraft aufbringen, uns auch noch um die Schwierigkeiten anderer zu kümmern, wenn wir doch selbst Hals über Kopf in Arbeit stecken und womöglich eigene Hürden zu überwinden haben, seien es finanzielle Sorgen, persönliche Krisen oder die Beförderung, um die wir uns schon so lange bemühen?
Manchmal bedarf es gar keiner großen Anstrengungen; oft reicht schon ein freundliches „Hallo“ und ein aufrichtiges „Wie geht es dir?“. Der erste Schritt ist es, einander wirklich wahrzunehmen, aufrichtiges Interesse an unseren Mitmenschen zu zeigen und auf sie zuzugehen. Wir könnten uns doch mal wieder bei unserem alten Freund, mit dem wir lange nicht mehr gesprochen haben, melden oder unseren Kollegen fragen, wie sein Wochenende war. Wir können unsere Unterstützung anbieten, wenn jemand Hilfe braucht und eine Schulter zum Anlehnen, wenn jemand Trost benötigt. Kleine Gesten wie diese werden nicht nur dankbar angenommen werden, sondern mit Sicherheit auch uns etwas zurückgeben – zum einen die Freude darüber, jemandem etwas Gutes getan zu haben, zum anderen die Möglichkeit, dass unsere Mitmenschen uns etwas Gutes tun, wenn wir es brauchen. So heißt es ja auch im Lukas-Evangelium „Gebt, so wird euch gegeben“ (Lukas 6,38). Wenn wir auf andere achthaben, wird diese Fürsorge, diese Liebe also auch auf uns zurückstrahlen. So können wir einander zur Liebe anspornen und diese Liebe wiederum kann gute Werke hervorbringen.
Eine besondere Chance bietet uns dabei unsere christliche Gemeinschaft. Hierin finden wir eine Gruppe von Menschen, die dieselben christlichen Werte vertreten und sich gegenseitig vertrauen und helfen können – nicht zuletzt, weil wir als Christen für Gerechtigkeit, Liebe, Hoffnung und Barmherzigkeit einstehen. Aber selbst wenn wir uns doch einmal alleine fühlen sollten, so haben wir immer noch unseren Glauben. Im Hebräerbrief appelliert der Verfasser an die Menschen, ihren Glauben an Jesus als „Urheber und Vollender des Glaubens“ nicht aufzugeben und fest in ihn zu vertrauen. Dasselbe gilt auch für uns: Wir müssen an unserem Glauben festhalten und auch in schwierigen Zeiten Vertrauen in Jesus und Gott haben. Dies mag manchmal schwer erscheinen und sich wie ein Sprung ins Unbekannte anfühlen. Doch, wie uns der Hebräerbrief erinnert, passiert Glaube eben nicht nur im Kopf, sondern muss sich ebenso in unseren Taten widerspiegeln.
Wenn wir also den Sprung wagen und selbst in Zeiten der Einsamkeit und Trauer unseren Glauben nicht aufgeben und unser Vertrauen nicht verlieren, so wird Gott uns sicher auffangen. Wenn wir unsere Taten an unserem Glauben ausrichten und unseren Mitmenschen ein wenig Fürsorge schenken, so werden wir diese nicht nur von ihnen, sondern von Gott in vielfacher Form zurückbekommen. Denn Gott hält, was er verspricht: Wir brauchen keine Angst zu haben, wenn wir uns fallen lassen und vertrauen. Der vermeintliche Sprung ins Unbekannte ist letztlich gar nicht so unvorhersehbar. Auch wenn wir uns manchmal so fühlen, so sind wir doch durch unseren Glauben niemals alleine – darauf können wir uns verlassen.
Also lasst uns, wie es der Hebräerbrief schildert, am „unwandelbaren Bekenntnis der Hoffnung festhalten“ und den Weg des Glaubens gemeinsam bestreiten, indem wir fürsorglich mit unseren Mitmenschen umgehen. Lasst uns einander und uns selbst etwas Gutes tun, indem wir anderen etwas Gutes geben. Dann können sich unsere Liebe und unsere guten Werke nur multiplizieren und wie ein Lauffeuer verbreiten.
Gebet
Guter Gott,
lass die Menschen wieder zueinanderfinden.
Lehre sie einander zu akzeptieren,
egal welche Hautfarbe oder Religion die Menschen haben.
Nimm den Unfrieden aus ihren Herzen und
lass die Menschen würdevoll miteinander umgehen.
Öffne ihnen ihre Augen, damit sie sehen.
Öffne ihnen ihr Herz, damit sie erkennen,
wie wichtig Nächstenliebe ist.
Guter Gott,
lass uns einander annehmen und lehre uns
aufeinander zuzugehen. Amen.
Lieder
EG 417 Lass die Wurzel unsers Handelns Liebe sein
Gut, dass wir einander haben (in: Singt von Hoffnung 118; Ich freue mich 54; Lieder zwischen Himmel und Erde 258)
Segen „Ich wünsche dir“
Ich wünsche dir
Freunde, die mit dir Steine aus dem Weg räumen.
Menschen,
die dir immer die Tür aufhalten,
in hellen und in dunklen Zeiten.
Menschen,
die dich auffangen, wenn du fällst.
Ich wünsche dir,
dass du zu einem glücklichen Menschen wirst.