„Hast du denn keine Augen im Kopf!", schimpft die nervöse Mutter mit dem Kind, das den vollen Kakaobecher zu knapp an die Tischkante stellt, so dass sich der Inhalt auf dem Fußboden ergießt.
„Haben Sie denn keine Augen im Kopf!", schimpft die junge Betreuerin im Pflegeheim den alten Mann an, der immer wieder über die Verrohung der jungen Menschen klagt.
Zwei Szenen, die wir uns vorstellen können - Szenen des All-tags. Allen vier Beteiligten mangelt es an Umsicht: Dem Kind, das die Tasse verkehrt hinstellt, ebenso wie der Mutter, die nicht bedenkt, dass sie diesen Handgriff schon 1000 mal ge-macht hat, das Kind aber vielleicht erst zum zehnten Mal und dass ihr Kind Sicherheit lernen muss. Der Betreuerin mangelt es an Umsicht, weil sie nicht im Blick hat, dass der alte Mann keinen Kontakt mehr zu jungen Menschen hat und aus ihm der Schmerz der verlorenen Jugend spricht.
„Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens", so betet Pau-lus für die Gemeinde in Ephesus. Ein schönes Bild! Es erinnert an den Satz von Exupery aus dem Buch „Der kleine Prinz": „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."
Vom Sehen ist in der Bibel häufig die Rede. Hagar, die in die Wüste flieht, begegnet dort einem Engel Gottes. In ihm erkennt sie Gott und nennt ihn bei seinem Namen: „Du bist ein Gott, der mich sieht." (1. Mose 16,13) Um diesen sich liebevoll zuwen-denden Blick bitten wir am Ende jedes Gottesdienstes „Gott lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei dir gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden."
Von Gott lernen wir das liebende Betrachten. Um-sichtig ist, wer andere und anderes mit in den Blick nimmt. Die Sichtweise des Herzen bringt neue Verbindung, das bewirkt Güte.
Paulus weiß, dass das Erkennen mit den Augen des Herzens zur Hoffnung führt:
„Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid."
Heute ist oft von der Notwendigkeit positiven Denkens die Re-de. Das ist richtig. Glaubende Menschen wissen, dass Gottes Geist uns dabei hilft: Mit den Augen Gottes, mit den Augen des Herzens nehme ich den Lichtschein wahr, der über allem liegt. Das liebende Betrachten braucht mehr Zeit als nur den flüchti-gen Augenblick. Diese Sichtweise ist unsere Berufung. Das braucht ein wenig Innehalten, einen winzigen Augenblick.
Wer von Ihnen im Rentenalter ist, kann sich das doch leisten: diesen liebenden Blick des Herzens. Freilich, zu wünschen ist diese Sichtweise auch der ungeduldigen Mutter und der Betreuerin im Pflegeheim. Mögen wir alle ein Gespür dafür entwickeln, dass da jemand ist, der mit liebendem Blick auf alle Geschöpfe schaut.
Lieder EG 100 Wir wollen alle fröhlich sein
EG 432 Gott gab uns Atem, damit wir leben
EG 176 Öffne meine Augen
Gib uns Ohren, die hören, und Augen, die sehn Gebet O, heilende Kraft, die mich sehen lehrt!
Alles nimmst du in den Blick: meine Freude und meine Sorgen.
Du übersiehst mich nicht, wie du niemanden übersiehst:
Du siehst meine kranke Schwester in der Nähe
und den heimatlosen Bruder in der Ferne.
Ich muss nicht alles im Blick haben, weil dein Angesicht auf al-lem ruht.
Lehre mich sehen mit den Augen des Herzens:
mich selbst, meine Mitmenschen und auch Dich, Gott.
Amen
Lieder EG 100 Wir wollen alle fröhlich sein
EG 432 Gott gab uns Atem, damit wir leben
EG 176 Öffne meine Augen
Gib uns Ohren, die hören, und Augen, die sehn Gebet O, heilende Kraft, die mich sehen lehrt!
Alles nimmst du in den Blick: meine Freude und meine Sorgen.
Du übersiehst mich nicht, wie du niemanden übersiehst:
Du siehst meine kranke Schwester in der Nähe
und den heimatlosen Bruder in der Ferne.
Ich muss nicht alles im Blick haben, weil dein Angesicht auf al-lem ruht.
Lehre mich sehen mit den Augen des Herzens:
mich selbst, meine Mitmenschen und auch Dich, Gott.
Amen