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12.12.2014 Kategorie: Andacht

Jahreslosung 2015

Nehmet einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob. Römer 15,7 (L)

In den ersten christlichen Gemeinden sammelten sich Menschen sehr unterschiedlicher Herkunft: Juden und Heiden, Freie und Sklaven, Reiche und Arme, Männer und Frauen. Was sie über alle sozialen Grenzen hinweg zusammenhielt, war ihr gemeinsamer Glaube an die Vergebung der Sünden und das ewige Leben in Jesus Christus. Er bildete das Fundament einer neuen Gemeinschaft, in der Gemeindeglieder ohne Ansehen der Person alle Freuden und Lasten gemeinsam trugen.

Dort, wo Menschen in Kontakt mit der Wirklichkeit Gottes kommen, verlieren biologische Merkmale, kulturelle Prägungen, soziale Grenzen und politische Ordnungen ihre Bedeutung. Sie werden durchlässig dafür, in allen Menschen, auch in denen, die mir fremd oder sogar feindlich gesinnt sind, Geschwister zu sehen, denen meine Liebe, Fürsorge und Verantwortung gilt. Dieser grenzüberschreitende, integrative Impuls gehört bis heute zu den wesentlichen Kennzeichen der Christenheit.

Zugleich bleiben dort, wo viele verschiedene Menschen zusammen leben, Konflikte nicht aus. Davon zeichnet etwa der 1. Korintherbrief ein lebhaftes Bild: Neid, Streit, Abwertung, Klatsch und Tratsch gehörten dort zum Alltag. Es geht höchst menschlich zu in christlichen Gemeinden. Kein Wunder, dass Paulus auch die Gemeinde in Rom ermahnt: „Nehmet einander an!".

Gemeint ist damit nicht, immer nett zu sein und alles um des lieben Friedens willen zu ertragen, nach dem Motto „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!" oder „Mein Lohn ist, dass ich dienen darf." Es geht vielmehr darum, Meinungs- und Interessengegensätze zu benennen, die damit verbundenen Konflikte auszutragen, sich aneinander zu reiben, übereinander zu ärgern, trotzdem  zusammenzubleiben und immer wieder neu miteinander anzufangen.

Das ist nun leichter gesagt als getan. Es ist ja viel einfacher, sich in Grüppchen Gleichgesinnter aufzuteilen, den warmen Stallgeruch gemeinsamer Meinungen und Haltungen zu kultivieren, Konflikte zu vermeiden und alles, was stört, abzuwehren. Das geschieht manchmal offen, häufiger aber mithilfe subtiler Signale, die anderen unterschwellig vermitteln: Du gehörst nicht zu uns. Diese Neigung zur „Kuschelkirche" kenne ich aus der Nordelbischen Kirche, und ich erlebe sie ab und zu auch hier im Braunschweiger Land. Damit werden wir aber unserem Auftrag, das Evangelium „allen Völkern" (Mt 28,19) zu bezeugen, nicht gerecht.

Gibt es in einer Kirchengemeinde oder einer kirchlichen Gruppe keine Störungen und Konflikte, muss man deshalb davon ausgehen, dass etwas nicht stimmt. „Nehmet einander an!", das ist also keine Ermahnung zur Harmonie oder zum Aufbau einer kirchlichen Sonderwelt, sondern eine Einladung zum vollen Eintauchen in die sozialen Realitäten dieser Welt, zur Offenheit gegenüber  Menschen, die anders denken und handeln als ich und sich aneinander zu reiben. Denn nur durch Reibung entsteht Wärme. Die Kraft dazu kommt nicht aus uns selbst. Denn in der Welt, wie sie nun einmal ist, neigen Menschen dazu, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und das Leben ihrer Mitmenschen zu beschädigen. In Syrien und im Irak sehen wir zur Zeit, zu was Menschen fähig sind. Aber auch unsere Großväter und Urgroßväter haben erlebt, was passiert, wenn eine Ideologie alle menschlichen Werte über Bord wirft und Menschen zu Tätern und Opfern macht.

Der christliche Glaube ist kein Besitz. Wir können ihn verlieren. Wir können in eine Dynamik geraten, aus der heraus Misstrauen, Hass und Ablehnung wachsen. Der Glaube lebt vom Vertrauen in die Liebe Gottes. Damit dieses Vertrauen erhalten bleibt und wachsen kann, müssen wir regelmäßig in Kontakt damit kommen. Deshalb erinnert Paulus die Gemeinde in Rom an die Liebe, die sie selbst erfahren haben: „wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob."

Die Jahreslosung ist deshalb auch eine Mahnung an uns, in, mit und unter allen Aktivitäten das Nährende in der Beziehung zu Gott zu pflegen. Jeder von uns hat da seine eigenen
Zugänge, über die er Gottes Liebe erfährt: bestimmte Bibelverse, Gottesdienste, Andachten, Kirchen, Bilder. Ich selbst brauche dazu das stille Gebet, den Kontakt mit der Bibel und die Musik. Suchen Sie bewusst Zeiten der Unterbrechung, des Rückzugs und der „kreativen Passivität". Hier geschieht etwas, oft ohne dass wir es selbst merken, das in uns das Grundwasser steigen lässt. Der Halt, den wir erleben, prägt in der Folge auch unsere Haltung zum Leben und zu unseren Menschen und unser Verhalten.

„Nehmet einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob." Das ist das Grundgesetz des christlichen Zusammenlebens.

Lieder
EG 412 So jemand spricht: Ich liebe Gott
EG 419 Hilf, Herr meines Lebens
EG 613 Liebe ist nicht nur ein Wort


Impulse für das Gespräch in Kleingruppen

Wo finde ich für mich in der biblischen Tradition und im kirchlichen Leben das Nährende? Wo kann ich gut andocken? Was
bleibt mir fremd?
Wo erlebe ich, wie das ist, von einem anderen Menschen angenommen zu werden?
Was heißt das für mich, Menschen anzunehmen? Wen kann ich gut annehmen, wen nicht?
Wie gehen wir mit Konflikten um?
Was bedeutet die Jahreslosung für das Leben in unserer Kirchengemeinde, unsere Gruppe?


Gebet

Dreieiniger Gott, himmlischer Vater,
danke, dass du uns als die Menschen, die wir sind, annimmst.
Danke, dass dein Wort uns über alle menschlichen Grenzen
hinweg sammelt.
Wir bitten dich: Lass uns in Frieden miteinander
zusammenleben.
Gib, dass wir auch inmitten von Meinungsverschiedenheiten
und Konflikten achtsam miteinander umgehen.
Hilf uns zu vergeben, wo wir verletzt wurden, und wo wir
andere verletzt haben, da bitten wir dich um Vergebung.
Vaterunser

Segen
Es segne und behüte dich Gott
der allmächtige und barmherzige,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

Beitrag von Dr. Christoph Meyns, Landesbischof