Januar ein neues Kalenderjahr hat begonnen.
Oft eine Zeit, in der Vorsätze gefasst werden, etwas im Leben zu verändern und Pläne für das Jahr zu schmieden. Kleine und große Vorhaben werden in den Blick genommen: Vielleicht die Wohnung mal so richtig aufräumen, Altes dabei loslassen und Raum für Neues zu schaffen; einen schon länger währenden Familienkonflikt angehen, sich dabei Hilfe zu holen, vielleicht einfach regelmäßig Zeit für Schönes einzuplanen, wohltuende Musik, Ausgehen mit der besten Freundin . Was schon lange liegen geblieben ist, soll endlich erledigt werden, ach und überhaupt, man könnte doch
Inmitten aller Pläne, Träume, Vorsätze, inmitten des manchmal alltäglichen Durcheinanders, der Sorgen, der Wünsche diese Worte: Ich hege IHN mir stets gegenüber.
Ich hege, das bedeutet, dass ich in mir Gott nähre und ihn mir als Gegenüber wachsen lasse. Ich hege und pflege
Zwei Stimmen höre ich bei dem Satz: Ich hege Ihn mir stets gegenüber. Die erste: welch ein Unterschied zu all den obigen Vorhaben. Den Blick wenden, zu Gott schauen und dann ..neugierig sein hegen und pflegen
Die zweite knüpft an die Pläne direkt an und klingt mehr so: Ach, das fehlt mir gerade noch noch ein Anspruch; wie soll ich das denn auch noch schaffen. Das können doch nur ganz besondere Menschen. Die Frauen, die gut organisiert sind, die die Prioritäten im Leben zu setzen wissen, die genügend Geld und Zeit dafür haben, Gott allzeit zu hegen, die nicht den Dreck aus den Ecken wegräumen müssen, und nach der Arbeit und der dritten Waschmaschinenladung nur noch ins Bett fallen. Was ist gerade passiert?
Diese Stimme redet über Gott wie über ein neues Projekt, das ich auch noch auf die Reihe bekommen muss oder will.
Ich hege IHN mir stets gegenüber. Wenn er mir zur Rechten ist, nie kann ich wanken.
Nie kann ich wanken, wenn Wenn alles so einfach wäre, wäre hier nicht vom Wanken die Rede. Wanken keinen Halt finden, nicht wissen, wie der nächste Schritt gehen kann, vor Müdigkeit nicht mehr stehen können, das Gegenüber nicht im Blick haben und keine Hilfe wahr-nehmen. Ich drehe mich dann um sich selbst, weiß dann oft weder ein noch aus.
Wenn er mir zur Rechten ist, nie kann ich wanken.
Gott zur Rechten, er hält und schützt. Von Gott kommt die Gabe, dass ich nicht wanke. Und zugleich gibt er die Kraft den Blick zu ihm zu wenden, mit IHM in Beziehung zu sein. Denn das meint es ja ich hege IHN mir stets gegenüber. Ich nähre und lasse unsere Beziehung wachsen. Die Vorstellung von Gott zur Rechten macht zugleich deutlich, dass es hier nicht um einen in sich selbst versunkenen Glauben geht. Denn wenn ich über den Psalmisten nachdenke, sehe ich ihn nicht im stillen Kämmerlein alleine. Offensichtlich war er in handfesten Auseinandersetzungen mit anderen. Ganz nah an seiner Seite hat er dabei Gott erlebt, wie einen rechtlichen Beistand und einen Verteidiger. Zu seiner Zeit stellte der sich nämlich im Gerichtsverfahren auf die rechte Seite und bewahrte so den Angeklagten vor dem Wanken. Daran erinnert er sich wohl in seinen Worten. Gott zur Rechten und ihn mir als Gegenüber zu hegen, das heißt dann also mit Gott in Beziehung zu sein, achtsam wahrzunehmen, was ich höre, mich mit anderen zusammen auszutauschen und zu handeln und wenn sinnvoll, not-wendenden Auseinandersetzungen getrost entgegenzusehen.
Also doch ein Vorsatz am Ende? Ja!
Warum nicht einfach diese Worte einen Monat lang beten, oder wie Dorothee Sölle es schrieb, sie essen, als Nahrung für den Tag. Im Gegenüber Gottes den Alltag, die Pläne, die Wünsche, die Sorgen durchkauen, durchleben Und neugierig sein, was geschieht.
Psalmen essen
Die Psalmen sind für mich eins der wichtigsten Lebensmittel. Ich esse sie, ich trinke sie, ich kaue auf ihnen herum, manchmal spucke ich sie aus, und manchmal wiederhole ich mir einen mitten in der Nacht. Sie sind für mich Brot.
Ohne sie tritt die spirituelle Magersucht ein, die sehr verbreitet unter uns ist und oft zu einer tödlichen Verarmung des Geistes und des Herzens führt. Materieller Reichtum und technologisches Wissen stellen in unserem Teil der Erde die Bedingungen für den spirituellen Tod der Überentwickelten dar. Und so möchte ich als erstes sagen: Esst die Psalmen. Jeden Tag einen vor dem Frühstück oder vor dem Schlafengehen, egal. Haltet euch nicht lang bei dem auf, was ihr komisch oder unverständlich oder bösartig findet, wiederholt euch die Verse, aus denen Kraft kommt, die die Freiheit, Ja zu sagen oder Nein, vergrößern.
Dorothee Sölle
Aus: Dorothee Sölle, Erinnert euch an den Regenbogen. Texte, die den Himmel auf Erden suchen, Freiburg 2004, 5. Auflage, S.182 f.
Lieder
Ahzw 4/2007 S. 41 Wir strecken uns nach dir
EG 324, 1.2.8.15.16 Ich singe dir mit Herz und Mund
EG 295 Wohl denen, die da wandeln
EG 305 Singt das Lied der Freude über Gott!
EG 171 Bewahre uns Gott
Segen
Gott segne euren Blick zurück
Und euren Schritt nach vorn.
Gott segne euch,
dass ihr nicht von Gedanken
an das, was war,
gelähmt werdet.
Gott segne euch,
dass ihr erkennt,
welche Fülle des Lebens
vor euch liegt.
Gott segne euch,
bewahre und behüte euch
auf euren Wegen.
Josefine Hallmann und Brunhilfe Raiser, ahzw 4/2006, S.25