... und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken.
Ezechiel 34,16 (L)
Wenn man den gesamten Text von Hesekiel liest, ist es eine Abrechnung. Im wahrsten und brutalsten Sinn des Wortes. Gott rechnet mit den Hirten des Volkes Israel ab! Die Priester, die politisch und gesellschaftlich maßgeblichen Personen bekommen ihr eigenes Versagen vorgehalten. Ihr seid Hirten, die nicht ihre Herde sondern sich selbst geweidet haben! Euch geht es nicht um die Schafe, die man euch anvertraut hat, sondern um euer eigenes Wohlergehen. Was Hesekiel vor zweieinhalbtausend Jahren geschrieben hat, könnte man durchaus auch heute bestimmten Personengruppen unserer Gesellschaft vorhalten.
Sind wir nicht alle Hirten? Auch uns sind Menschen, ist eine Herde anvertraut: Wer Kinder hat, ist in diesem Sinn auch Hirte. Hat Kinder anvertraut bekommen – und zwar nicht für das eigene Ego, sondern um für diese da zu sein ... mit seiner ganzen Kraft. Manchmal bin ich auch Hirte für meine guten Freunde, weil sie sich auf mich verlassen und an mir orientieren. Wer Angehörige pflegt, wer für einen dementen oder bettlägerigen Menschen da ist – der spürt die Verantwortung, die er hat, weil der Andere eben für sich selbst nicht mehr Verantwortung übernehmen kann. Da, wo uns das Wohl von Tieren anvertraut ist – sie sind uns ausgeliefert –, da sind wir Hirten im ursprünglichen Sinn, auch wenn die Herdentiere eher auf Bello, Emmi oder Luna hören.
Nicht zuletzt haben wir als Vereinsvorstand, als Mannschafts-Chefin, als Kirchenvorsteherin oder als 1. Vorsitzende dieser Frauenhilfe genau solche Verantwortung als Hirte. Werde ich da immer dem gerecht, was von mir erwartet wird? Spüre ich da nicht manchmal, wie ich überfordert bin? Vielleicht erlebe ich auch die Zerrissenheit: Weil meine Aufgabe als „Hirte“ mir so viel abverlangt, dass ich auch einmal Grenzen setzen und auf mich selber Rücksicht nehmen muss.
Bin ich dann schon ein schlechter Hirte, nur weil ich auch Rücksicht auf meine persönlichen Grenzen und Bedürfnisse nehme? Bin ich dann schon ein schlechter Hirte, nur weil ich auch Rücksicht auf meine persönlichen Grenzen und Bedürfnisse nehme?
Hirte – das ist ein Knochenjob! Nicht nur bei den blökenden Schafen. Hirte sein, Verantwortung für andere übernehmen, ist auch harte, schwere Arbeit. Arbeit, die wir im Grunde unseres Herzens sehr gerne machen.
Und da kommt Gott ins Spiel, er kündigt an: Ab jetzt kümmere ich mich selbst um mein Volk, um meine Schafe. Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken. Er hilft uns bei dieser Arbeit. Er hilft uns, dass wir uns für andere einsetzen oder für andere Verantwortung übernehmen. Er hilft mir, Ihnen, Euch und allen. Amen.
Gebet
Gott, du hilfst uns in jeder Situation durch unser Leben.
Lass uns spüren, wenn andere unsere Hilfe brauchen,
lass uns Hilfe von anderen annehmen.
Geh mit uns unseren Weg und wir gehen ihn voller Freude und Zuversicht,
weil wir wissen, du bist da. Amen. Vaterunser
Segen
Der Segen des Herrn gebe uns allen Kraft
und die Einsicht, für andere da zu sein.
Der Segen des Herrn gebe uns Mut, für andere einzustehen.
Der Segen des Herrn sei mit uns allen. Amen.
Lieder
EG 171 Bewahre uns, Gott
EG 65 Von guten Mächten treu und still umgeben
EG 603 Ins Wasser fällt ein Stein
