Übungsabend des Kirchenchores. Noten werden verteilt, denn ein neues Lied soll gelernt werden, ein fünfstimmiger Chorsatz aus der Zeit des 30jährigen Krieges. Wir arbeiten uns durch die Achtel und Viertel, durch die Pausen und die versetzten Einsätze. Schließlich klappt es tatsächlich schon einigermaßen. Der Chorleiter sagt: „Na, es klingt eben noch ein wenig mühsam und unsicher. Habt ihr den Text schon mal genau gelesen? Da muss am Ende eine mitreißende Begeisterung rüberkommen!“
Der Text: Lobt Gott in seinem Heiligtum!
Lobet seine Macht und Stärke,
lobet alle Wunderwerke,
die er uns erwiesen hat mit Ruhm.
Alle Völker weit und breit,
lobet Gott in Ewigkeit.
Mitreißende Begeisterung sollen wir vermitteln, wenn der Chorsatz irgendwann aufgeführt wird. Hoffentlich gelingt es uns.
Als ich das höre, bin ich in Gedanken sofort beim Monatsspruch für September 2013, mit dem ich mich schon eine Weile herumschlage:
„Seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“
Der Satz allein macht mir keine Schwierigkeiten, denn er ist in sich logisch: Wenn ich mich an meinem Gott freue, dann bin ich stark im Glauben. So einfach ist das. Lese ich aber um den Monatsspruch herum, dann komme ich ins Grübeln. Der Satz ist nachzulesen im Buch Nehemia, in einem Text, der uns im kirchlichen Alltag eher
selten begegnet.
Worum geht es?
Nach Jahrzehnten der Vertreibung und der babylonischen Gefangenschaft können die Israeliten in ihr Heimatland zurückkehren. Sie beginnen, die zerstörte Stadt Jerusalem wieder aufzubauen. Durch Nehemias Verhandlungsgeschick war es gelungen, die dafür nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Der Wiederaufbau macht gute Fortschritte. Die Sehnsucht, ihrem Gott endlich uneingeschränkt dienen zu können, motiviert sie.
Neh.8,1 ff: … „Als nun der 7. Monat herangekommen war, … versammelte sich das ganze Volk wie ein Mann auf dem Platz vor dem Wassertor“ um von Esra, dem Schriftgelehrten, „das Gesetz des Mose“ zu hören. Esra begibt sich auf ein Holzpodest und „liest und liest vom lichten Morgen bis zum Mittag“. Alle hören aufmerksam und demütig zu. Denen, die eine andere Sprache sprechen, wird der Inhalt übersetzt, so dass alle begreifen können, was das Gesetz tatsächlich von ihnen verlangt. Sie erkennen voller Betroffenheit, dass zwischen den Geboten Gottes und ihrer eigenen Lebensweise ein großer Abstand herrscht.Und nun folgt die Reaktion der Menschen damals, die mich ins Grübeln bringt, „denn alles Volk weinte, als sie die Worte des Gesetzes hörten“.
Weinen wir etwa, weil wir die Gesetze Gottes nicht eingehalten haben?
Ist das ein Grund zum Weinen für uns?
Welche Rolle spielen Gottes Gesetze in unserem Alltag?
Wie vertraut sind uns die Gesetze überhaupt?
Wie weit ist unsere Lebensweise von den Gesetzen Gottes entfernt? Haben sie überhaupt noch Gültigkeit im Jahr 2013?
Viele Fragen drängen sich auf – und wenn wir sie ehrlich beantworten würden, hätten wir als gläubige Christen sicher auch Grund genug zu weinen, wie die Israeliten damals um 445 v.Chr..
Nun noch einmal Esra im Buch Nehemia: „… seid nicht traurig und weinet nicht“, sagt er, „… geht hin und esst fette Speisen und trinkt süße Getränke und sendet davon auch denen, die nichts für sich bereitet haben, denn dieser Tag ist heilig unserem Herrn. Und seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“
Ein Freudenfest also soll gefeiert werden zur Ehre Gottes! Mit den Gesetzen, die Moses einst entgegengenommen hat, gab Gott seinem Volk ein unvergängliches Zechen dafür, dass er sich aller Menschen, also auch unser angenommen hat. Das sollte auch für uns ein Grund zur Freude sein. Ein Grund zur Freude? Ja, ein Grund zur Freude, auch für uns! In unserer Kirche werden oft und gerne Feste gefeiert. Dazu gehören schöne Gottesdienste und in der Regel „fette Speisen“ und „süße Getränke“. Ein Choral nimmt bei solchen Feiern eine Spitzenposition ein: Großer Gott, wir loben dich, Herr wir preisen deine Stärke …
Haben wir den Text schon mal ganz genau gelesen? Wir sollten es tun, denn die Freude am Herrn macht auch uns stark und vielleicht können wir mit unserer Begeisterung darüber sogar auch andere mitreißen.
Lieder
EG 331 Großer Gott, wir loben dich
EG 607 Vertrauen wagen dürfen wir getrost
Gebet
Mein Gott,
wie oft lebe ich nur in den Tag hinein
und habe nicht an Dich gedacht – wie damals die Israeliten
wie oft jage ich von einem Termin zum anderen
und habe keine Zeit für Dich – wie damals die Israeliten
wie oft sinke ich erschöpft in den Schlaf,
ohne die Hände zu falten – wie damals die Israeliten
wie oft bin ich bekümmert und habe vergessen,
wo ich Trost finden kann – wie damals die Israeliten.
Ich bitte Dich,
lass mich trotz meiner Verfehlungen,
immer wieder zu Dir zurückfinden,
immer wieder auf Dich vertrauen.
Stärke meinen Glauben!
Amen.