Haben Sie einen Ort, an dem Sie sich Gott ganz nahe fühlen? In einer Kirche? Oder draußen in der freien Natur: im Garten, im Wald, am Meer oder in den Bergen? Im Gottesdienst oder stillen Gebet? Bei der Gartenarbeit, beim Wandern, Radfahren oder Schwimmen?
Suchen Sie Ihren Ort immer wieder mal auf? Wann immer Sie können, oder wenn Sie spüren, das brauche ich jetzt?
Oder ist es eher eine Zeit, in der Sie Gottes Nähe in besonderer Weise erfahren? In der Advents- und Weihnachtszeit mit seiner besonderen Stimmung? In der Osternacht, wenn das Licht von Kerze zu Kerze wandert? Mitten im Sommer, wenn die Abende lang und die Nächte hell sind? Oder jetzt im Herbst, zur Zeit der Ernte reifer Früchte?
Viele von uns haben so einen Ort, den sie immer wieder aufsuchen, um Gott nahe zu sein. Oder auch eine Zeit im Jahr, auf die sie sich ganz besonders freuen und nach der sie sich sehnen.
Und wahrscheinlich trifft das auf mehr Menschen zu, als wir ahnen. Möglicherweise ist es manch einem nicht einmal so recht bewusst.
Und Gott kommt uns nahe: Ist plötzlich da in einem Moment der Stille und des Innehaltens. Ist da in der Leichtigkeit, in der alles wie von selbst läuft. In der Begeisterung, die überspringt. Ist da in Fröhlichkeit und Lachen. Und in der Liebe. Gesellt sich zu uns, wenn wir in seinem Namen versammelt sind. Nimmt uns tröstend in die Arme, wenn wir traurig sind. Ist da im vertrauten Gespräch, das in die Tiefe geht...
Und doch spricht Gott: Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?
Darin klingt an, dass wir seine Nähe nicht einklagen können. Wir haben Gott nicht in der Hand. Der vertraute Ort, an dem wir seine Nähe so oft erfahren haben, kann leer bleiben. Die heilige Zeit, nach der wir uns sehnten, ohne seine spürbare Gegenwart.
Und in Schmerz und Leid und Angst bleibt oft nur die bange Frage: Wo bist du? Warum bist du so weit weg?
Es kann geschehen, dass sich dunkle Schatten zwischen uns und Gott schieben. Dunkle Schatten, die uns von ihm trennen. Dunkle Schatten, die die Bibel Sünde nennt. Sünde, in die wir mitunter verstrickt sind, ohne dass wir so recht wissen, wo und wann, warum und wie... Wo und wann hat das begonnen, was mich jetzt so quält? Warum und wie bin ich da hinein geraten? In anderen Fällen ist es uns bewusst, da können wir unsere Schuld benennen und finden doch keinen Weg hinaus.
Es kann auch geschehen, dass wir von Gottes Glanz, seinem Licht, seiner Herrlichkeit geblendet sind. Dass er uns so nahe kommt, dass wir von ihm gar nichts mehr spüren können. Weil er im Verborgenen in uns wirkt und alle Sinne davor verstummen.
Es ist Gottes Freiheit, nah zu sein oder fern, auch beides zugleich. Tief in uns zu wirken und zugleich von Ferne den Blick auf uns zu werfen. Und uns hinaus zu rufen: In seine Freiheit... Auf neue, unbekannte Wege. In die Freiheit, nicht länger nur um uns selbst zu kreisen. Damit wir einander neu begegnen können. Und ihm, unserem Gott...
aus Psalm 73
alternativ: Verweis auf EG 733
Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. Ps 73, 23-26
Lieder
EG 165 – Gott ist gegenwärtig
EG 185.4 – Agios o Theos
EG 409 – Gott liebt diese Welt
EG 607 – Vertrauen wagen
Gebet
Warum zwingst du mich,
Herr,
diese Wüste zu durchqueren?
Ich quäle mich
inmitten der Dornen.
Nur eines Zeichens aber
bedarf es von dir,
dass die Wüste sich wandelt,
dass der blonde Sand
und der Horizont
und der große stille Wind
nichts Fremdes mehr sind
und nichts Zufälliges,
sondern ein weites Reich,
durch das hindurch
ich dich erkenne.
Antoine de Saint-Exupery (Gebete der Einsamkeit, Karl Rauch Verlag, Düsseldorf 1989, S.25 zitiert nach dem Loccumer Brevier 1991, S. 314)
Altchristlicher Segen
Der Herr sei vor dir,
um dir den rechten Weg zu zeigen.
Der Herr sei neben dir,
um dich in die Arme zu schließen
und dich zu schützen.
Der Herr sei hinter dir, um dich zu bewahren
vor der Heimtücke böser Menschen.
Der Herr sei unter dir, um dich aufzufangen,
wenn du fällst, und dich aus der Schlinge zu ziehen.
Der Herr sei in dir, um dich zu trösten,
wenn du traurig bist.
Der Herr sei um dich herum,
um dich zu verteidigen,
wenn andere über dich herfallen.
Der Herr sei über dir, um dich zu segnen.
So segne dich der gütige Gott.