Zu der Monatslosung vom Juli 2011 fällt mir eine Geschichte von La Fontaine ein mit dem Titel „Der reiche Mann und der Schuster“, die ich Ihnen gerne erzählen möchte. Es war einmal ein armer Schuster, der hatte den ganzen Tag gute Laune. Er war so glücklich, dass er von morgens bis abends vor Glück sang. Deshalb standen viele Kinder vor seinem Fenster und hörten ihm zu. Gleich neben dem Schuster wohnte ein reicher Mann. Dieser blieb die ganze Nacht auf und zählte sein Geld. Morgens ging er dann zu Bett. Schlafen konnte er aber nicht, weil er den Schuster singen hörte. Eines Tages hatte er eine Idee, wie er den Schuster am Singen hindern könnte. Er lud ihn zu sich ein, und der Schuster kam sogleich. Zu seiner großen Überraschung schenkte ihm der reiche Mann einen Beutel voller Geldstücke. Als der Schuster wieder zu Hause war, öffnete er den Beutel. Nie in seinem Leben hatte er soviel Geld gesehen. Sorgfältig begann er es zu zählen, und die Kinder schauten zu. Es war so viel, dass der Schuster Angst hatte, es auch nur schnell aus den Augen zu lassen. So nahm er es nachts mit ins Bett. Aber auch dort musste er immer an das viele Geld denken, und er konnte nicht einschlafen. So trug er den Beutel auf den Dachboden, aber er war gar nicht sicher, ob das nun ein gutes Versteck sei. Früh am Morgen stand er auf und holte den Beutel wieder herunter. Er hatte beschlossen, ihn im Kamin zu verstecken. "Ich bringe das Geld ins Hühnerhaus", dachte er etwas später. "Da sucht es bestimmt niemand." Aber er war noch immer nicht zufrieden, und nach einer Weile grub er ein tiefes Loch im Garten und legte den Beutel hinein. Zum Arbeiten aber kam er gar nicht mehr. Und singen konnte er auch nicht mehr. Er war zu bedrückt, um auch nur einen Ton hervorzubringen. Und, was am schlimmsten war, auch die Kinder kamen ihn nicht mehr besuchen. Zuletzt war der Schuster so unglücklich, dass er den Beutel wieder hervorholte und damit zu seinem Nachbarn lief. "Bitte, nimm dein Geld zurück", sagte er. "Die Sorge darum macht mich ganz krank, und auch meine Freunde wollen nichts mehr von mir wissen. Ich möchte lieber wieder ein armer Schuster sein, wie ich es vorher war." Und so wurde der Schuster bald wieder genauso vergnügt wie zuvor und sang und arbeitete den ganzen Tag. Woran hängen wir unser Herz? Würden wir eine Schatztruhe in unsere Mitte stellen und eine jede von uns würde einen Schatz hineinlegen, so würde es sicher auch Schätze geben, von denen der Preis bekannt ist, aber nicht der echte Wert. Unkäufliche Dinge, Erinnerungsstücke an besondere Erlebnisse oder an einen Menschen, der uns sehr nahe steht. Wird doch der Begriff „Schatz“ auch oft als Kosename für unseren Partner oder die Kinder verwendet. Wenn Jesus vom Schatz und vom Herz spricht, stehen die materiellen Güter der Erde und das Himmelreich in Gegnerschaft zueinander. In der Bergpredigt mahnt er zum Beispiel: „Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören.“ Auf die heutige Zeit übertragen müssen wir uns nur an die Kapitalwerte erinnern, die die letzte Wirtschaftskrise vernichtet hat. Aber, wie schnell hängen wir unser Herz auch an irdische Dinge und diese nehmen unser Denken immer mehr für sich in Anspruch. Ganz rasch stehen wir in der Gefahr, dass sich unser ganzes Leben nur noch um das Anhäufen und Erhalten irdischer Schätze dreht. Und es geht uns dann, wie dem Schuster in unserer Geschichte: Wir werden nicht fröhlicher, sondern immer unglücklicher. Sind irdische Schätze wirklich so wertbeständig und treu wie die himmlischen Schätze, von denen Jesus in seiner Bergpredigt spricht? Und bedeutet im Gegensatz dazu das Sammeln von himmlischen Schätzen einfach Besitzverzicht? Ich denke, es geht um die Grundeinstellung, um verantwortungsvolles Handeln mit Hab und Gut und den uns anvertrauten Ressourcen. Muss es wirklich immer das Billigste sein, damit wir mehr und mehr haben können? Mit unserem Einkaufsverhalten tragen wir Verantwortung. Verantwortung für die Arbeitsbedingungen von Frauen und Kindern in Schwellenländern. Verantwortung für einen vernünftigen Umgang mit Lebensmitteln. Bringt doch die Gentechnikstrategie hunderttausende Kleinbauern mit ihren Familien in den Entwicklungsländern in Abhängigkeit und damit in Existenznot und Unglück. Auch das ist es, was Jesus in seiner Bergpredigt anmahnt. Nicht die Abkehr jeglichen Besitzes, sondern der verantwortliche Umgang mit den uns anvertrauten irdischen Dingen, mit unserer Welt und den Menschen. Wo ich meine Ressourcen wie Geld, Zeit, Energie, Liebe hingebe, da wird auch mein Herz sein: meine Gedanken, meine Sorgen, meine Aufmerksamkeit, mein Einsatz, mein Gebet... Lieder EG 604 Wo ein Mensch Vertrauen gibt EG 603 Ins Wasser fällt ein Stein EG 272 Ich lobe meinen Gott, von ganzen Herzen EG 473 Mein schönste Zier und Kleinod EG 182 Suchet zuerst Gottes Reich in dieser Welt
Details Monatsandacht
01.07.2011
Kategorie: Andacht